Dr. Thomas de Maizière, Bundesinnenminister, hat bei der ersten Haushaltslesung über den Einzelplan 06 für sein Ministerium am 19. Jan. festgehalten, dass die Islamkonferenz wichtig für die Integration von Muslimen ist. Er sagte wörtlich (Zitat nach Bundestags-Plenarprotokoll 17/14):
Die Deutsche Islam Konferenz ist das wichtigste Dialogforum von deutschem Staat und Vertretern der hier lebenden Muslime. Ich werde sie fortsetzen und vertiefen. Muslime in Deutschland sollen sich als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen und sollen von dieser auch so verstanden werden. Dies setzt nicht nur die theoretische Bejahung, sondern auch die praktische Bereitschaft voraus, das Grundgesetz wirklich zu leben. Ich möchte deshalb die zweite Stufe der Deutschen Islam Konferenz, deren theoretische Grundlegung – zu Recht – abschließend erfolgt ist, praktischer machen, und zwar in drei Punkten: erstens in allem rund um die Themen Religionsunterricht sowie Religionslehrer- und Imamausbildung, zweitens bei der Gleichbehandlung von Mann und Frau, insbesondere von Jungen und Mädchen, sowie drittens in der Debatte über friedlichen Islam und gewalttätigen Islamismus. Diese drei Punkte sind richtig und wichtig. Gerade in der Debatte über den dritten Punkt können und wollen wir helfen. Aber die Haupttrennlinie zwischen dem friedlichen Islam und dem gewalttätigen Islamismus muss der Islam selbst ziehen.
Mal gänzlich davon abgesehen, dass muslimische Migranten nicht pauschal auf ihrer Religion beschränkt werden können, kommt bei der Islamkonferenz allgemein eine Frage auf. Die Frage ist nicht neu, sie wurde schon oft gestellt, aber da der Herr Innenminister diese Thematik in völliger Ignoranz der Problematik aufgebracht hat, ist es wieder (und immer wieder) zu thematisieren. Und da die Frage im Hohen Hause kein wenig aufgekommen ist, will ich sie nochmals stellen:
Wer soll integriert werden? Die Menschen oder der Islam? (genau so stellt die Frage Ebert in „Integration der muslimischen Zuwanderer“
MIZ 4/09). Ich nehm hier gerne ein Synonym zu „integrieren“, mag es allgemein auch weniger passen, es verdeutlicht die Frage jedoch: Wer soll in den Staat hineingebracht werden? Und da liegt die Antwort eigentlich klar auf der Hand: Nicht der Islam als Religion, nein, keine Religion o.ä., denn der Staat muss neutral bleiben.
In seiner Rede wird allerdings klar, dass die Ziele des Ministers offenbar sehr wohl das Hinbringen des Islams in den Staat sind, nennt er Religionsunterricht und Ausbildung der Lehrer doch als eines der drei großen Punkte, eines der Kernthemen, die er auch noch in die Praxis umsetzen will.
Der Staat hat neutral zu sein. Überall sieht man aber Sonder- und Vorzugsrechte der Religionen. Es ist klar, dass der Islam auf gleicher Ebene gestellt werden will. Zugegeben, wenn ein Muslim sieht, dass die christliche Kirche X darf, Seinesgleichen aber nicht, fühlt sich das ausladend an. Ich kenn das Gefühl, denn mir als Atheist (auch noch in Bayern) gehts genauso. Nur gibt es für diese Problematik zwei Lösungen, von der in der Islamkonferenz die falsche angestrebt wird. Bloß weil die christlichen Kirchen auf einem hohen Ross sitzen, dürfen andere Religionen nicht auch auf dieses hohe Ross hochgehieft werden, nein vielmehr müssen alle von diesem hohen Ross runtergeholt werden. Der Staat hat neutral zu sein.
Religionsunterricht ist sogar ein Beispiel besonderer Problematik. Wofür wurde in Berlin letztes Jahr gekämpft? Nicht dafür, dass der Staat die Schüler nach dem Bekenntnis der Eltern trennt. Religionsunterricht heißt, das eine Religion das Recht hat, dem Staat zu bestimmen, wie Kinder zu indoktrinieren sind. Wer wird hier integriert, hineingebracht? Lernen hier Kinder muslimischer Eltern, lernen hier Migranten, wie wir ALLE gut zusammenleben können oder wie nur die jeweiligen religiöse Menschen nach Maßgaben der jeweiligen Religionen zusammenleben? Wird hier Migranten vorgelebt, wie wir uns ALLE (gleich welchem Geschlechts, Hautfarbe, Orientierungen etc. pp.) bei gesellschaftlichen Fragen zusammensetzen können oder vorgelebt, dass in diesem Staat der Mensch nach Religion getrennt wird? Nein, Religionsunterricht ist mE sogar integrationsfeindlich.
Mal ganz ehrlich: Wie sollen sich alle Menschen im Lande gemeinschaftlich fühlen, wenn der Staat ständig daherkommt und nach Glaube bzw. Fehlen diesen separiert betrachtet? Christen dürfen bimmeln, Molems dürfen schächten und Atheisten dürfen die Schnauze halten; und unsere Kinder werden über das Gemeinschaftswesen gleich getrennt unterrichtet. Tolle Gemeinschaft. Wie soll man sich hier heimisch fühlen?
Es wird seitens säkularer Organisationen oft kritisiert, wie der Allgemeinheit eine Religion vorgeschoben wird, sich also die Allgemeinheit und nicht nur die jeweiligen Anhänger auf Religionen einstellen müssen. Und doch wird uns, der Allgemeinheit, also auch Nichtgläubigen, weiterhin Religion ständig vom Staat vorgesetzt, was dank der Islamkonferenz auch bald für den Islam gilt. Hier wird ganz klar der Islam und nicht die Menschen integriert.
In Ansehung, dass die künstliche Wiederherstellung der Jungfräulichkeit in Mode kommt und damit mE zeigt, dass die Betroffenen nicht wirklich stur an diese Dogmen glauben (wenn es ihn gäbe, Allah/Gott/Ba’al/werauchimmer wüsste von den Aktivitäten so oder so), sondern eher aus Angst vor denen, die daran festhalten, ihr wirkliches Leben vertuschen, sollte doch wirklich gefragt werden, wer integriert werden soll. Die Menschen mit ihrem frei entfaltbaren Leben oder die Religion mit ihren Dogmen, um diese den Menschen gegenüber besser aufrechtzuerhalten?
Da das eine eigentlich haushaltspolitische Rede des Ministers war, kommt ein weiteres passendes Beispiel hinzu: Will der Staat islamische Vereinigungen genauso sehr direkt und indirekt subventionieren, wie bei den Kirchen, und weitere Milliarden allgemeiner Steuergelder für Organisationen (wer wird integriert?) locker machen?
Wie gesagt, keiner der nachfolgenden Redner im Hohen Hause hat die Frage in den Raum gestellt. MdB Bockhahn (Die Linke), der zum Einzelplan 06 des Bundesinnenministeriums das Problem noch nicht aufgeworfen hat, hat am 21. Januar in seiner Rede zum Einzelplan 17 des BMFSFJ einen Hoffnungsschimmer aufkommen lassen, dass doch noch welche im Hohen Hause an die Neutralitätsverpflichtung des Staates denken, als er sagte (Zitat nach Bundestags-Plenarprotokoll 17/16):
Lassen Sie uns darüber reden, wie wir insgesamt gegen religiösen Fanatismus und gegen religiösen Fundamentalismus etwas tun können, um Demokratie und Toleranz zu stärken.
Allerdings werden wir wohl noch sehr lange warten müssen, bis selbst die Linke, auch wenn es an einigen wenigen Stellen ihrer Programme Erwähnung findet, einmal ausdrücklich im Hohen Hause die Trennung von Staat und Kirche und damit die Beseitigung von Sonder- und Vorzugsrechten fordert.
Zum Ausklang sei auf die Abschlusserklärung der Kritischen Islamkonferenz (PDF) vom 1.6.08 hingewiesen.