Schavan und die Indoktrination

Sonntag, 30. Mai 2010

Frau Honorarprofessorin der Theologie Annette Schavan, die gleichzeitig widersprüchlicherweise Bildungs- und Forschungsministerin ist, tritt auf der Bundesschülerkonferenz für einen islamischen Religionsunterricht ein und lehnt ein allgemeines Fach über die Weltreligionen ab (vgl. hier).

Sie begründet dies damit, man müsse erst die eigene Religion kennenlernen, bevor man mit anderen Religionen redet.

Merkt die Frau eigentlich, was sie dort fordert? Genau: Indoktrination. Sie umschreibt nichts anderes. „Wer mit anderen Religionen ins Gespräch kommen will, braucht zunächst einen eigenen Standpunkt und Kenntnis der eigenen Religion“ heißt doch übersetzt nix anderes als: Ein Schüler ist ohne eine Religion geboren und ihm muss erst einmal diejenige Religion als Wahrheit eingetrichtert werden, die die Eltern wünschen, bevor man ihm eröffnet, dass es noch anderes gibt, sodass ein selbstständiges kritisches dahingehendes Denken möglichst abgeschnitten ist.

Frau Schavan, Bildung hat nichts damit zu tun, irgendwelche Behauptungen, irgendwelche Märchen, für die es keine Belege gibt und die gar unserer Erkenntnis immer mehr widersprechen, als Wahrheit einzutrichtern. Genau das fordern Sie aber für beeinflussbare Kinder, wenn Sie den konfessionellen Religionsunterricht hochhalten und diesen auch noch ausdehnen wollen. Sie kehren damit ihr politisches Amt ins Gegenteil.


Treten Sie zurück, Herr Bundespräsident

Mittwoch, 12. Mai 2010

Nicht nur, dass der Bundespräsident eine fehlerhafte und geschichtsverfälschte Vorstellung von den christlichen Kirchen hat, das haben viele Menschen und man kann es ihm wahrscheinlich auf Grund jahrelanger kindlicher Indoktrination auch nicht vorwerfen; nein, er lässt Religion in seinem Amte als Vertreter des angeblich gesamten Volkes einfließen, und das muss man ihm vorwerfen.

Zu Beginn sei daran erinnert, dass es Bundespräsident Köhler war, der letztes Jahr die Bibel zu seinem wichtigsten Buch erklärte. Diese Meinung sei ihm erlaubt. Nicht erlaubt ist jedoch der dabei erfolgte Indoktrinationsaufruf. Es ist allgemein wahnhaft einem Kinde ein Märchen als Wahrheit einzutrichtern, auch noch mit Schönredung schrecklicher Geschichten. Als Bundespräsident in einer öffentlichen Stellungnahme dazu aufzurufen, grenzt jedoch an Verkennung des von ihm zu vertretenen neutralen, freiheitlichen Staates.

Was dann auf keinen Fall angehen darf ist ein Missionsaufruf des Oberhauptes eines angeblich neutralen, freiheitlichen Staates, in dem viele Konfessionen vertreten, dessen größte Gruppierung jedoch die Konfessionsfreien sind. In seinem Interview mit der Rheinischen Merkur rief Herr Köhler jedoch die Kirchen an, diese sollen um die Austretenden kämpfen. Von negativer Religionsfreiheit hat er wohl noch nix gehört. Wer austreten möchte, der soll es auch ohne Probleme, ohne Furcht vor Job- oder Ansehungsverlust und ohne weitere Belästigung tun können. Aber Herr Köhler meint zu wissen, die Kirchen haben den Auftrag Gottes (welchen denn?), die Botschaft zu verkünden.

Auch seine Interpretation von der Trennung von Staat und Kirche zeigt auf, dass er einerseits über die tatsächlichen Gegebenheiten keine Kenntnis hat oder haben will und andererseits, dass ihm eine wirkliche Trennung entgegen seiner Beteuerung gar nicht am Herzen liegt. Für ersteres erlaube ich mir die Empfehlung, einfach mal die reichhaltigen Informationen über die ungehörigen Verflechtungen von Staat und Kirche in Deutschland beim IBKA e.V. zu betrachten.

Herr Köhler zählt auf, wo er allerdings eine Verflechtung von Staat und Kirche (irgendwie aber doch bei einer bestehenden Trennung… wer sieht hier keinen Widerspruch?) für notwendig und gut erachtet. Und genau dabei verkennt er bei vollem Bewusstsein, dass gerade bei Schule, Sozialpolitik und Gerechtigkeitsfragen kein derartiger Einfluss von irgendeiner Gruppierung vorherrschen darf. Unsere Grundrechte mussten gegen die Kirchen erkämpft werden. Bildung, Ethik und Soziales gebührt jedermann gleichermaßen, niemand darf dadurch ausgeschlossen, bevormundet oder in eine andere Schublade gesteckt werden, weil die Konfession nicht passt. Und mit nichts, mit gar nichts lassen sich Sonder- und Vorzugsrechte der Kirchen rechtfertigen. Auch zB das Argument, es gäbe keine Alternative nicht. Man kann nicht erst ein Monopol durchboxen, um dann das Monopol mit der fehlenden Konkurrenz zu begründen. Und dass die Kirche in ihren sozialen Einrichtungen, die übrigens nur zu einem vernachlässigbar geringen Teil von den Kirchen finanziert werden, kirchliches statt gesetzliches Arbeitsrecht vorschreiben, obwohl Herr Köhler sich doch diese monopolhafte Zusammenarbeit wünscht, ist nichts anderes als staatlich unterstützte Unfreiheit und Ungleichheit der Bürger.

Sehr bedenklich ist ferner, dass es Herrn Köhler sogar freut, dass an Schulen weiterhin gegen die Verfassung verstoßen wird. Herr Köhler, Sie haben Ihren Eid auf das Grundgesetz geschworen! Eine Verfassungswidrigkeit wird nicht deshalb geheilt, weil sich nur wenige die Mühe machen, sich zu beschweren. Verfassungswidrig bleibt verfassungswidrig, auch wenn es nur eine einzige Person treffen würde.

Was macht der Herr Köhler da? Jedenfalls alles andere, als mich repräsentieren, alles andere, als das ganze Volk repräsentieren, alles andere als das Amt des Oberhauptes eines neutralen, freiheitlichen Staates würdig auszuüben. Vielmehr tritt er mE über ein drittel des Volkes, welches er repräsentieren soll, mit Füßen. Ich will ihm nicht seine private Meinung verbieten, aber ich fordere ganz klar, dass ein Bundespräsident sein Amt als Repräsentant des ganzen Volkes achtet. Wenn er dazu nicht in der Lage ist, bleibt nur ein Ratschlag: Treten Sie zurück, Herr Bundespräsident!

Weiterführend dazu hier bei wissenrockt.de und hier beim hpd.


de Maizière setzt Fehler fort

Freitag, 22. Januar 2010

Dr. Thomas de Maizière, Bundesinnenminister, hat bei der ersten Haushaltslesung über den Einzelplan 06 für sein Ministerium am 19. Jan. festgehalten, dass die Islamkonferenz wichtig für die Integration von Muslimen ist. Er sagte wörtlich (Zitat nach Bundestags-Plenarprotokoll 17/14):

Die Deutsche Islam Konferenz ist das wichtigste Dialogforum von deutschem Staat und Vertretern der hier lebenden Muslime. Ich werde sie fortsetzen und vertiefen. Muslime in Deutschland sollen sich als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen und sollen von dieser auch so verstanden werden. Dies setzt nicht nur die theoretische Bejahung, sondern auch die praktische Bereitschaft voraus, das Grundgesetz wirklich zu leben. Ich möchte deshalb die zweite Stufe der Deutschen Islam Konferenz, deren theoretische Grundlegung – zu Recht – abschließend erfolgt ist, praktischer machen, und zwar in drei Punkten: erstens in allem rund um die Themen Religionsunterricht sowie Religionslehrer- und Imamausbildung, zweitens bei der Gleichbehandlung von Mann und Frau, insbesondere von Jungen und Mädchen, sowie drittens in der Debatte über friedlichen Islam und gewalttätigen Islamismus. Diese drei Punkte sind richtig und wichtig. Gerade in der Debatte über den dritten Punkt können und wollen wir helfen. Aber die Haupttrennlinie zwischen dem friedlichen Islam und dem gewalttätigen Islamismus muss der Islam selbst ziehen.

Mal gänzlich davon abgesehen, dass muslimische Migranten nicht pauschal auf ihrer Religion beschränkt werden können, kommt bei der Islamkonferenz allgemein eine Frage auf. Die Frage ist nicht neu, sie wurde schon oft gestellt, aber da der Herr Innenminister diese Thematik in völliger Ignoranz der Problematik aufgebracht hat, ist es wieder (und immer wieder) zu thematisieren. Und da die Frage im Hohen Hause kein wenig aufgekommen ist, will ich sie nochmals stellen:

Wer soll integriert werden? Die Menschen oder der Islam? (genau so stellt die Frage Ebert in „Integration der muslimischen Zuwanderer“
MIZ 4/09
). Ich nehm hier gerne ein Synonym zu „integrieren“, mag es allgemein auch weniger passen, es verdeutlicht die Frage jedoch: Wer soll in den Staat hineingebracht werden? Und da liegt die Antwort eigentlich klar auf der Hand: Nicht der Islam als Religion, nein, keine Religion o.ä., denn der Staat muss neutral bleiben.

In seiner Rede wird allerdings klar, dass die Ziele des Ministers offenbar sehr wohl das Hinbringen des Islams in den Staat sind, nennt er Religionsunterricht und Ausbildung der Lehrer doch als eines der drei großen Punkte, eines der Kernthemen, die er auch noch in die Praxis umsetzen will.

Der Staat hat neutral zu sein. Überall sieht man aber Sonder- und Vorzugsrechte der Religionen. Es ist klar, dass der Islam auf gleicher Ebene gestellt werden will. Zugegeben, wenn ein Muslim sieht, dass die christliche Kirche X darf, Seinesgleichen aber nicht, fühlt sich das ausladend an. Ich kenn das Gefühl, denn mir als Atheist (auch noch in Bayern) gehts genauso.  Nur gibt es für diese Problematik zwei Lösungen, von der in der Islamkonferenz die falsche angestrebt wird. Bloß weil die christlichen Kirchen auf einem hohen Ross sitzen, dürfen andere Religionen nicht auch auf dieses hohe Ross hochgehieft werden, nein vielmehr müssen alle von diesem hohen Ross runtergeholt werden. Der Staat hat neutral zu sein.

Religionsunterricht ist sogar ein Beispiel besonderer Problematik. Wofür wurde in Berlin letztes Jahr gekämpft? Nicht dafür, dass der Staat die Schüler nach dem Bekenntnis der Eltern trennt. Religionsunterricht heißt, das eine Religion das Recht hat, dem Staat zu bestimmen, wie Kinder zu indoktrinieren sind. Wer wird hier integriert, hineingebracht? Lernen hier Kinder muslimischer Eltern, lernen hier Migranten, wie wir ALLE gut zusammenleben können oder wie nur die jeweiligen religiöse Menschen nach Maßgaben der jeweiligen Religionen zusammenleben? Wird hier Migranten vorgelebt, wie wir uns ALLE (gleich welchem Geschlechts, Hautfarbe, Orientierungen etc. pp.) bei gesellschaftlichen Fragen zusammensetzen können oder vorgelebt, dass in diesem Staat der Mensch nach Religion getrennt wird? Nein, Religionsunterricht ist mE sogar integrationsfeindlich.

Mal ganz ehrlich: Wie sollen sich alle Menschen im Lande gemeinschaftlich fühlen, wenn der Staat ständig daherkommt und nach Glaube bzw. Fehlen diesen separiert betrachtet? Christen dürfen bimmeln, Molems dürfen schächten und Atheisten dürfen die Schnauze halten; und unsere Kinder werden über das Gemeinschaftswesen gleich getrennt unterrichtet. Tolle Gemeinschaft. Wie soll man sich hier heimisch fühlen?

Es wird seitens säkularer Organisationen oft kritisiert, wie der Allgemeinheit eine Religion vorgeschoben wird, sich also die Allgemeinheit und nicht nur die jeweiligen Anhänger auf Religionen einstellen müssen. Und doch wird uns, der Allgemeinheit, also auch Nichtgläubigen, weiterhin Religion ständig vom Staat vorgesetzt, was dank der Islamkonferenz auch bald für den Islam gilt. Hier wird ganz klar der Islam und nicht die Menschen integriert.

In Ansehung, dass die künstliche Wiederherstellung der Jungfräulichkeit in Mode kommt und damit mE zeigt, dass die Betroffenen nicht wirklich stur an diese Dogmen glauben (wenn es ihn gäbe, Allah/Gott/Ba’al/werauchimmer wüsste von den Aktivitäten so oder so), sondern eher aus Angst vor denen, die daran festhalten, ihr wirkliches Leben vertuschen, sollte doch wirklich gefragt werden, wer integriert werden soll. Die Menschen mit ihrem frei entfaltbaren Leben oder die Religion mit ihren Dogmen, um diese den Menschen gegenüber besser aufrechtzuerhalten?

Da das eine eigentlich haushaltspolitische Rede des Ministers war, kommt ein weiteres passendes Beispiel hinzu: Will der Staat islamische Vereinigungen genauso sehr direkt und indirekt subventionieren, wie bei den Kirchen, und weitere Milliarden allgemeiner Steuergelder für Organisationen (wer wird integriert?) locker machen?

Wie gesagt, keiner der nachfolgenden Redner im Hohen Hause hat die Frage in den Raum gestellt. MdB Bockhahn (Die Linke), der zum Einzelplan 06 des Bundesinnenministeriums das Problem noch nicht aufgeworfen hat, hat am 21. Januar in seiner Rede zum Einzelplan 17 des BMFSFJ einen Hoffnungsschimmer aufkommen lassen, dass doch noch welche im Hohen Hause an die Neutralitätsverpflichtung des Staates denken, als er sagte (Zitat nach Bundestags-Plenarprotokoll 17/16):

Lassen Sie uns darüber reden, wie wir insgesamt gegen religiösen Fanatismus und gegen religiösen Fundamentalismus etwas tun können, um Demokratie und Toleranz zu stärken.

Allerdings werden wir wohl noch sehr lange warten müssen, bis selbst die Linke, auch wenn es an einigen wenigen Stellen ihrer Programme Erwähnung findet, einmal ausdrücklich im Hohen Hause die Trennung von Staat und Kirche und damit die Beseitigung von Sonder- und Vorzugsrechten fordert.

Zum Ausklang sei auf die Abschlusserklärung der Kritischen Islamkonferenz (PDF) vom 1.6.08 hingewiesen.


„Was ist richtiger Islam?“

Sonntag, 6. Dezember 2009

Ich möchte euch, leider etwas verspätet, nunmehr den Beitrag zur Diskussion nach dem Vortrag von Mina Ahadi nachreichen.

In der Diskussion, in der sich besonders muslimische Zuhörer einbrachten wurde besonders die Abtrennung vom Islam und von islamischen Regimen, wie im Iran vorherrschend, thematisiert.

Hitzig wurde die Diskussion schon recht frühzeitig, als ein nicht muslimischer Zuhörer im Allgemeinen für eine offenere Gesprächskultur und gegen eine „Käseglocke“ für den Islam in öffentlichen Diskussionen warb und dabei festhielt, der Koran wäre ein Sprengstoff. Hier rief ein muslimischer Zuhörer ein, wo dies denn der Fall sein soll, die Behauptung würde nicht stimmen. Daraufhin antwortete Mina Ahadi, dass es in der Tat eine schwierige Diskussion sei, die aber normal sein sollte. Es müsse ihr erlaubt sein, den Koran als Horrorbuch bezeichnen zu dürfen und warf sodann den Medien vor, aus Angst vor dem Buch vor Diskussionen zurückzuschrecken.

Dass sich in den öffentlichen Medien der Islam durch eine Art Käseglocke geschützt wissen will, ist leider in der Tat erkennbar. So wurde bereits in dem Fall von Wikipedia, die ein Bildnis von Mohammed zeigten, der Aufschrei groß, dass hierdurch die Gefühle der Muslimen verletzt sei (vgl. hier). Hier wurde auch versucht, islamische Regeln der Allgemeinheit, auch Nichtmuslimen, aufzuerlegen. Insofern ist dem Fragenden zuzustimmen, die Käseglocke muss weg, es muss frei diskutiert werden dürfen, ohne Drohungen und Verbote. Sofern es um den Koran als Buch geht, muss allerdings in der Tat Sachlichkeit gefordert werden, ergo am Inhalt festgehalten werden. Im Gegensatz muss allerdings, das mein ich Allgemein, von Theisten auch Sachlichkeit gefordert werden, wenn es um transzendente Fragen geht, die allerdings auch regelmäßig fehlt.

Allerdings machen auch die Anhänger an ein jeweiliges Buch, bei der Bibel ist es nicht ungleich, eine sachliche Diskussion um den Inhalt des Buches faktisch unmöglich. Die Diskussion über die Hintergründe, ergo ob Gott überhaupt existiert und die Worte wirklich von ihm kämen, ist wieder ein anderes Thema. So hieß es auch in der Diskussion, dass man das jeweilige Buch auf verschiedenste Weise auslegen kann. Ein Wort im Arabischen, hat ein Zuschauer, der Mina Ahadi gar als Hasspredigerin bezeichnete, eingewandt, habe 20 verschiedene Bedeutungen im Deutschen. Hmm, wie kann er sich denn dann sicher sein, dass er die richtige Auslegung hat? Der richtige Islam würde, entgegen der Behauptungen seiner Kritiker, keinen Zwang kennen. Da kam natürlich die berechtigte Frage von Mina Ahadi: „Was ist richtiger Islam?“ Man könne das nicht lesen, also kann man es nicht kritisieren. Ein Zuschauer zitierte auch eine Soll-Vorschrift aus dem Koran. Daraufhin hieß es, „soll“ heißt nicht „muss“. Allerdings muss man kein Jurist sein, um zu wissen, dass es auch kein „kann“ ist, sondern schon eine gewisse Verbindlichkeit aufzeigt.
Es stellt sich wirklich die Frage, wie man sachlich über den Inhalt eines Buches argumentieren soll, wenn er willkürlich ausgelegt werden kann? Und was würde außerdem eine Vorschrift nutzen, wenn Gott/Allah/werauchimer, so existent, sich absolut nicht dafür interessiert, ob die Regel eingehalten wird?

Mina Ahadi wurde auch gefragt, warum sie auf einer so populistischen Art vorgeht. Sie begründete dies mit der hohen Aktivität der anderen Seite. Daher muss Aktivität entgegengehalten werden. Es braucht natürlich eine gewisse Medienwirksamkeit. Der IBKA mag zB auch gute Arbeit leisten, aber öffentlich wahrgenommen habe ich diese außerhalb von ibka.org, hpd.de und Twitter noch nicht. Ein Otto-Normalverbraucher erfährt hiervon nix, er erfährt nur, was die Religionen wollen. Will man gegen Vorgänge, die von allen Seiten unkritisch gefördert werden, vorgehen, muss man auf sich aufmerksam machen.

Auf die Frage nach islamischen Religionsunterricht äußerte Mina Ahadi Kritik gegen die deutsche Regierung, hier werde den islamischen Organisationen geholfen. Sie hat mit ihrer Kritik an den Islamunterricht an staatlichen Schulen recht, hier werden Kinder nach der Gesinnung der Eltern an den Schulen getrennt, es wird übereinander statt gegeneinander gesprochen (vgl. zB auch hier). Konsequenterweise muss aber konfessioneller Religionsunterricht allgemein angegriffen werden. Egal ob christlicher, jüdischer oder islamischer Unterricht, hier wird beeinflussbaren Kindern eine Religion durch den Staat, der eigentlich zur Neutralität verpflichtet ist, indoktriniert.

Ich musste die Diskussion, da mir unwohl wurde, vorzeitig verlassen. Später wartete ich vor der Tür auf das Ende der Veranstaltung und konnte dabei noch einen Einwurf einer Zuschauerin aufschnappen, leider nicht die Reaktion von Mina Ahadi.
So wurde dem Laizismus vorgeworfen, er wäre gegen die Religionsfreiheit, weil er das Tragen des Kopftuches verbieten würde.
Nun, diese Argumentation zeigt bereits auf, dass sich Privilegien bereits als Normalzustand verankert haben. In unserer Schule durften wir keine Kopfbedeckung tragen. Mir wurde einst empfohlen, später bei der mündlichen Prüfung erst gar nicht mit meiner Mütze (die die Aufschrift NX-01 trägt und auch für mich gewisse Verbundenheit symbolisierte) zu erscheinen. Vor Gericht ist jede Kopfbedeckung abzunehmen. Wir werden ständig aufgefordert, Kopfbedeckungen abzunehmen. Auf Bilder für den Pass sind Kopfbedeckungen eigentlich unzulässig. Wenn alle die Kopfbedeckung abnehmen müssen, dann sollen bitte auch alle die Kopfbedeckung abnehmen. Wenn man einer Gruppe gestattet, die Kopfbedeckung zu tragen, dann muss man allen gestatten, Kopfbedeckung zu tragen. Es ist ein Sonder- und Vorzugsrecht, wenn ein Lehrer, während er Schüler 1 ermahnt, er soll seine Kopfbedeckung abnehmen, den daneben sitzenden Schüler 2 das Tragen der Kopfbedeckung gestattet, weil die Eltern eine unbewiesene Behauptung in den Raum werfen.
Dabei ist mE das Kopftuch noch relativ nebensächlich. Am allerschlimmsten sind diejenigen Privilegien, die religiösen Organisationen eingeräumt werden. Da kämpfen die Kirchen einerseits für die Sonntagsruhe, während ihnen selbst die größte Störung der Sonntagsruhe eingeräumt wird. Wird ein Arbeitnehmer nicht ganz so toll behandelt, wird das sofort öffentlich kritisiert, außer der Arbeitgeber heißt Kirche. Und es hilft der Neutralität nicht, wenn weitere Organisationen auf das hohe Ross der Kirchen hochgesattelt werden. Nein, wir brauchen eine klare Trennung, alle müssen vom hohen Ross runtergeholt werden.

Wie Mina Ahadi öfters forderte, sollten wir uns nach den Menschen richten, nicht nach Religionen.


Kopftuch oder Schläge

Freitag, 6. November 2009

Am 4. November war Mina Ahadi beim bfg-Erlangen zu Gast und hielt einen Vortrag mit der Überschrift „Leben ohne Allah? Von dem schwierigen Recht, den Islam zu verlassen.“, bei dem ich zugegen war. Wie sie auch in der anschließenden Diskussion betonte, ging es ihr hierbei jedoch primär um die politische Bewegung einer islamische Ideologie, wie sie zB im Iran vorherrscht.

Mina Ahadi, die 1956 im Iran geboren wurde, wurde Januar 2007 auf der Gründungsversammlung zur ersten Vorsitzenden des Zentralrats der Ex-Muslime gewählt. Ihren Lebensweg hat sie in ihrem Buch „Ich habe abgeschworen. Warum ich für die Freiheit und gegen den Islam kämpfe“ (erschienen 2008 im Heyne Verlag) niedergelegt.

In ihrem Vortrag stellte Mina Ahadi zunächst ihr Leben dar. So war zu erfahren, dass sie mit 9 Jahren, in einem Dorf lebend, ganz verhüllt zur Schule gehen musste, nicht wie Jungs auf der Straße spielen durfte und, nach dem Tod des Vaters, von ihrem Bruder bestimmt wurde. Dem standen Großstädte wie Teheran entgegen, wo die Situation viel lockerer war. Nachdem sie durch Bücher ihres Großvaters, ein Atheist, kritisches Denken annahm, wollte sie ebenfalls in die Großstadt. Dort hat sie sodann studiert und auch ihr Kopftuch abgelegt. Nichtsdestoweniger waren Bücher, die gegen den Schah und das System standen, wie zB Marx, auch dort verboten.

Mina Ahadi hat Bewegungen gegen das System unterstützt und an Demonstrationen teilgenommen. Doch dann hieß es plötzlich „islamische Revolution“, die in einem islamischen Regime mündete. Hierdurch wurde sogar alles schlimmer. Frauen wurden unterdrückt, Kopftuch oder Schläge. Tausende wurden ermordet, ob Atheisten, Kommunisten oder auch Muslime, die sich gegen ein solches islamisches System stellten, ja auch Schwangere und Kinder, erzählte sie. Sie selbst hat die Universität verlassen müssen, weil sie sich weiterhin weigerte, ein Kopftuch zu tragen. Weil sie eine Schreibmaschine besessen und gegen das islamische Regime geschrieben hat, wurde sie polizeilich gesucht und, so musste man bedauerlicherweise erfahren, ihr Mann hingerichtet.

Im Iran herrschen nun Faschisten, meinte sie, und erklärte ihre Unterstützung zu den jetzigen Protesten: „Millionen Menschen waren auf der Straße. Es lebe diese Bewegung!“ Sie meint, es tue den Menschen weh, wenn sie in sogenannten islamischen Ländern geschlagen werden und dass diese hierdurch dagegen ankämpfen.

„Was ist Todesstrafe? Staatlicher Mord!“ Mina Ahadi übte starke Kritik über die Todesstrafe durch islamische Regime, insbesondere durch die Praxis der Steinigung. Sie erkläte auch, dass sie mehrfach versucht hat mit den Medien, sie nannte auch einen öffentlich-rechtlichen Sender, über die Steinigung zu reden und hierdurch Aufklärung zu leisten, sah sich aber besorgniserregende Hindernisse entgegenstehen. So wäre zB auch in diesen Ländern eine andere Kultur gegeben. Hierzu musste auch sie sich fragen, ob Menschenrechte von der Kultur abhängen.

Die Problematik der Menschenrechte in sog. islamischen Ländern führte sodann auch zu starker Kritik gegen in Deutschland ansässige islamische Organisationen, aber auch gegen die deutsche Regierung, die auch mit den Organisationen zusammensitzen. So bemängelte sie, dass von den Organisationen kein Wort der Kritik an den Steinigungen fällt und auch die deutsche Regierung lieber Geschäfte mit dem Iran macht, als sich aktiv gegen die Steinigung einzusetzen und fordert Deutschland auf, Islamisten unter Druck zu setzen und sich für die Frauenrechte einzusetzen. Mina Ahadi befürchtet, dass der politische Islam auch in Deutschland Fuß fasst.

Die islamischen Organisationen nehmen sich das Recht, für über 3 Millionen Muslime in Deutschland zu sprechen, die jedoch alle eine andere Meinung haben. Mina Ahadi will hingegen die Menschen sehen und fordert strinkte Neutralität im Staat und nicht die Ansetzung nach Religionen. Deutschland würde mit der Zusammenarbeit mit diesen Organisationen zur Integration beitragen wollen. Jedoch stellte Mina Ahadi klar: „Wenn wir über integration reden, müssen wir alle islamischen und religiösen Organisationen draußen lassen.“ Denn das wäre gegen die Integration.

Zum Abschluss betonte sie, dass sie für Frauen-, Menschen- und Kinderrechte kämpft und wir keine Angst bei diesem islamischen political movement haben dürfen.

Nach dem Vortrag folge sodann eine Diskussion, an der auch viele Muslime partizipierten. Die Betrachtung und Kommentierung der Diskussion folgt alsbald (wobei bereits angemerkt ist, dass ich dem Ende aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr beiwohnen konnte).

Nachtrag:
Bedauerlicherweise steht kommenden Mittwoch eine Hinrichtung des 28jährigen Ehsan Fattahian im Iran an, weil er vom Islam „abgefallen“ ist und Atheist wurde. Mehr dazu, auch auf eine Petition gegen die Hinrichtung verweisend, auf dem hpd: http://hpd.de/node/8177